Interview

Die Leiterin des Geschäftsbereichs Asset Management der FINMA, Marianne Bourgoz Gorgé, gab im Frühjahr 2023 eine erste Rückmeldung zum Bewilligungsprozess. Zwar ist dieser Prozess noch nicht gänzlich abgeschlossen, aber die Mehrheit der Vermögensverwalter wurde bereits bewilligt.

Im Rahmen eines Interviews blickt der VSV mit ihr auf die von der FINMA Anfang dieses Jahres gezogene Bilanz zurück.

 

Marianne Bourgoz Gorgé
Mitglied der Geschäftsleitung, Leiterin Geschäftsbereich Asset Management, 
FINMA    

 

Können Sie uns die aktuellen Zahlen zu den Gesuchen und Bewilligungen von Vermögensverwaltern und Trustees nennen? Was ist Ihnen in diesem Zusammenhang aufgefallen?

Die FINMA hat bis zum 31. Dezember 2022 insgesamt 1699 Bewilligungsgesuche erhalten (die «Welle»). Seit dem 1. Januar 2023 sind mehr als 100 weitere Gesuche eingegangen. Alle vor Ende der Übergangsfrist eingereichten Bewilligungsgesuche wurden einem/einer Mitarbeiter/in zur Bearbeitung zugewiesen, was bedeutet, dass alle Vermögensverwalter und Trustees aus der eingangs erwähnten «Welle» seit Anfang 2024 mit der FINMA in Kontakt stehen. Ende April 2024 waren 80 % der vor Ablauf der Übergangsfrist eingereichten Bewilligungsgesuche entweder genehmigt oder vom betreffenden Finanzinstitut zurückgezogen worden.

Die auffälligsten Punkte waren einerseits die Reaktionszeiten der Finanzinstitute und andererseits die hohe Zahl von Änderungsgesuchen, die seit den ersten Bewilligungen eingegangen sind. Im Laufe des Jahres 2023 musste die FINMA feststellen, dass einige Finanzinstitute trotz mehrfacher Mahnung der FINMA im Rahmen des Bewilligungsprozesses mehrere Monate brauchten, um die Fragen der FINMA zu beantworten. Hinzu kommt, dass die FINMA seit der Erteilung der ersten Bewilligungen über 1800 Gesuche zu geplanten Änderungen bei den bewilligten Instituten erhalten hat. Dies bedeutet einen erheblichen Arbeitsaufwand. Dieser ist jedoch notwendig, um die Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen fortlaufend zu gewährleisten.

 

Welche Rückfragen richtete die FINMA während des Bewilligungsprozesses am häufigsten an die Vermögensverwalter?

Es gibt keine „klassischen“ Rückfragen, da die Population der Vermögensverwalter und Trustees sehr heterogen ist. Die noch offenen Punkte können sich sowohl auf die Tätigkeit als solche als auch auf organisatorische Aspekte des Finanzinstituts beziehen. Ebenso können sie die Dokumentation der mit der Verwaltung und Geschäftsführung betrauten Personen sowie deren Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit oder deren fachliche Qualifikationen betreffen.

 

Welches sind derzeit die Hauptmerkmale eines bewilligten Vermögensverwalters? Sehen Sie eine gewisse Entwicklung in der Typologie dieser Firmen?

Die meisten bewilligten Vermögensverwalter und Trustees sind Kleinstunternehmen in Form von Aktiengesellschaften mit weniger als drei Vollzeitstellen. Die Summe der von den bewilligten Finanzinstituten verwalteten Vermögen ist sehr ungleich verteilt. Zudem ist es selten, dass ein Schweizer Vermögensverwalter nur Kunden in der Schweiz und im grenznahen Ausland betreut.

 

Bei ihrem Bewilligungsprozess verfolgt die FINMA insbesondere einen risikobasierten Ansatz. Wie verändert sich dieser Ansatz im Laufe der Zeit und in welchen Punkten hat er sich weiterentwickelt?

Die FINMA analysiert bei der Bewilligungsprüfung die Geschäftsmodelle und wendet im Rahmen ihres risikobasierten Ansatzes das Proportionalitätsprinzip an. Das bedeutet, dass die FINMA umso eingehender prüft, je höher die Risiken des betreffenden Geschäftsmodells sind. Darüber hinaus hat die FINMA bestimmte erhöhte Risiken definiert, die in der Regel eine Trennung der Kontrollfunktionen (Risk & Compliance) von den ertragsgenerierenden Aktivitäten erfordern. Beispiele für erhöhte Risiken sind verwaltete Vermögen im Wert von mehr als einer Milliarde Schweizer Franken wie auch die Verwaltung von kollektiven Kapitalanlagen unterhalb der "de minimis"-Schwelle oder von Vorsorgeeinrichtungen. Auch wurden im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung erhöhte Risiken bei Geschäftsmodellen mit einer grossen ausländischen Kundschaft oder bei Depotbanken im Ausland identifiziert. Hinsichtlich der für alle Finanzdienstleister geltenden Verhaltensregeln wird besonders auf die Risiken im Zusammenhang mit Interessenkonflikten und mit der Verwendung unbegrenzter Vollmachten geachtet.

Aktuell weist eine Mehrheit der bewilligten Finanzinstitute eines oder mehrere der oben genannten erhöhten Risiken auf. Das Bewilligungsverfahren ermöglicht es den Instituten, im Austausch mit ihren Aufsichtsorganisationen und der FINMA Massnahmen zur Minderung der identifizierten Risiken durch angemessene organisatorische Schritte zu formalisieren.

 

Für die behördliche Aufsichtstätigkeit ist das Risikorating zentral. Was können Sie uns über diesen Eckpfeiler der Aufsicht sagen?

Die Aufsichtsorganisationen überwachen die bewilligten Vermögensverwalter und Trustees auf Grundlage der identifizierten Risiken. Sie wenden bei jedem Beaufsichtigten diejenigen Aufsichtsmassnahmen an, die im Verhältnis zum ermittelten Risiko stehen, und legen das Risikorating für jeden Beaufsichtigten individuell fest. Sie stützen sich dabei auf die Auswertung der Prüfberichte und ihre Erkenntnisse aus anderen Aufsichtsinstrumenten der ordentlichen Aufsicht. Das Risikorating ist dynamisch und kann bei Bedarf jederzeit durch die Aufsichtsorganisationen angepasst werden.

Als ultima ratio greift die FINMA dann ein, wenn die Aufsichtsorganisation trotz aller ihr zur Verfügung stehenden Aufsichtsinstrumente den ordnungsgemäss Zustand nicht selbst wiederherstellen kann oder wenn schwere Verletzungen aufsichtsrechtlicher Bestimmungen und Missstände nicht mit den, den Aufsichtsorganisationen zur Verfügung stehenden Aufsichtsinstrumenten behoben werden können.

Dieses zweistufige Aufsichtsmodell erfordert eine umfangreiche Koordination zwischen der FINMA und den fünf Aufsichtsorganisationen. Letztere setzen die Vorschriften der FINMA für die Aufsicht über Vermögensverwalter und Trustees um.

 

In der FINMA-Aufsichtsmitteilung 2023 betonen Sie i.S. Risikomonitoring, wie wichtig es für die Finanzinstitute ist, ausgelagerte Funktionen angemessen zu überwachen. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Kontrolle von ausgelagerten Aufgaben weiterentwickelt?

Die FINMA hat festgestellt, dass mehr als die Hälfte der bewilligten Finanzinstitute ihre Kontrollfunktionen (Risk & Compliance), d.h. ihre zweite Verteidigungslinie, an externe Dienstleister delegiert haben. Deshalb stehen diese Beauftragten im Fokus der FINMA. Es zeichnet sich ein Trend zu einer Konzentration der Delegationsmandate auf rund zwanzig Delegationsnehmer ab. Da ein Grossteil der Vermögensverwalter und Trustees auf externe Dienstleister zurückgreift, ist es wichtig, dass diese über die notwendigen Kompetenzen und Ressourcen verfügen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Dies ist notwendig, um die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere die notwendigen Ressourcen, zu erfüllen und die damit verbundene Unabhängigkeit der Kontrollfunktionen zu gewährleisten.

 

Das neue Bewilligungs- und Aufsichtssystem hat zu einem Anstieg des Verwaltungsaufwands und der Kosten (Aufsichtsabgabe) geführt. Was ist in dieser Hinsicht mittelfristig zu erwarten?

Die Aufsichtsabgaben der FINMA werden auf der Grundlage des Gesamtaufwands des Vorjahres berechnet und von den Aufsichtsorganisationen nach einem von ihnen festzulegenden Verteilschlüssel den Beaufsichtigten in Rechnung gestellt. Das ermöglicht eine verursachergerechte Zuordnung der Kosten.

Die meisten Vermögensverwalter und Trustees haben ihre Bewilligungsgesuche erst ganz am Ende der dreijährigen Übergangsfrist bei der FINMA eingereicht, sehr viele erst im letzten Quartal des Jahres 2022. Daraus ergab sich eine entsprechende Konzentration des Aufwands bei der FINMA in den Jahren nach Ende der Übergangsfrist. Diese Anlaufphase, d.h. der Aufwand für die Regularisierung der bereits im Markt tätigen Vermögensverwalter, die vom Gesetzgeber in Bezug auf die Gebühren nicht berücksichtigt sind und separat geregelt wurde, hat entsprechend höheren Aufsichtsabgaben für Vermögensverwalter und Trustees zur Folge, die auf die Jahre 2024 bis 2026 aufgeteilt werden.

 

Abschliessend die Frage: Welche Kernbotschaft möchten Sie an unseren Berufsstand richten?

Der Bewilligungsprozess nähert sich für diejenigen Finanzinstitute, welche die Übergangsfrist in Anspruch nehmen, dem Ende zu. Die Verfahren ermöglichten es der FINMA die unternehmensinterne Organisationsstruktur der auf dem Schweizer Markt tätigen Vermögensverwalter zu stärken, insbesondere durch die Einführung oder Formalisierung von Kontrollen und Prozessen. Die FINMA-Bewilligung für Vermögensverwalter und Trustees stellt ein Qualitätssiegel dar und das Bewilligungsverfahren hat auch zu einer Marktbereinigung beigetragen. So konnten einige Marktteilnehmer die gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzungen nicht erfüllen und mussten sich daher neu organisieren, indem sie beispielsweise alle bewilligungspflichtigen Vermögensverwaltungsaktivitäten aufgaben.

Nun kann sich die Branche auf die Aufsichtsorganisationen verlassen, dass über eine angemessene laufende Beaufsichtigung die erhöhten Anforderungen an die Vermögensverwalter und Trustees, welche organisatorischer, finanzieller und personeller Natur sind, entsprechend dem gesetzlichen Auftrag aufrechterhalten werden. Die Aufsichtsorganisationen haben eine zentrale Aufgabe im zweistufigen Aufsichtssystem zu erfüllen, denn sie sind die erste Anlaufstelle für Vermögensverwalter und Trustees.

 

 

Biografie

Marianne Bourgoz Gorgé (1973) ist diplomierte Mathematikerin der ETH Lausanne. Sie startete ihre Karriere 1999 im Bereich Risikomanagement bei der Credit Suisse First Boston in Zürich. 2002 wechselte sie zur UBS in Zürich, wo sie nach zwei Jahren in der Investment Bank im Bereich Group Treasury während mehreren Jahren als Executive Director und Teamleiterin die Funktion der Risikokontrolle in sich hatte. Zuletzt war sie acht Jahre als Group Chief Risk Officer bei der Genfer Kantonalbank tätig (bis 2021).

Marianne Bourgoz Gorgé ist seit 1. September 2022 Leiterin des Geschäftsbereichs Asset Management und Mitglied der Geschäftsleitung der FINMA.