Der Gast

 

Marianne Bourgoz Gorgé, kürzlich zur Leiterin der Abteilung Asset Management der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) ernannt, teilt ihre neuen Erfahrungen in einem VSV-Interview.

 

Marianne Bourgoz Gorgé
Mitglied der Geschäftsleitung und
Leiterin Geschäftsbereich Asset Management, FINMA 

 

Marianne Bourgoz Gorgé, Sie leiten seit dem 1. September 2022 die Abteilung Asset Management.
Können Sie uns kurz erläutern, was Sie zur Annahme dieser neuen Position motiviert hat?

Es ist eine einzigartige und spannende Herausforderung, vor allem angesichts der Vielfalt der Themen wie Greenwashing, Liquiditätsrisikomanagement oder der neuen Bewilligungspflicht für Vermögensverwalter und Trustees. Neben der «Bewilligungswelle» darf man jedoch nicht aus den Augen verlieren, dass auch alle anderen operativen Tätigkeiten mit einem risikobasierten Ansatz zu verwalten sind.

 

Sie sind eine Risikomanagement-Spezialistin. Die FINMA hat wiederholt die Wichtigkeit einer gründlichen Risikoprüfung der Bewilligungsgesuche betont, sowohl bei der Risikoidentifizierung als auch bei der Risikomitigierung. Was sind ihre ersten Erkenntnisse in diesem Zusammenhang?

Die Bewilligungsgesuche gehen bei der FINMA nach der Vorprüfung durch die Aufsichtsorganisationen (AO) ein. Somit sind viele Standardfragen bereits vorab von den AO geklärt worden. Der Bewilligungsprozess der FINMA konzentriert sich daher auf spezifische, besonders kritische und/oder komplexe Fragen und die damit verbundenen Risiken. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Bearbeitungsdauer der Bewilligungsgesuche je nach Qualität und Komplexität des Gesuchs schwankt. Aufgrund der hohen Anzahl von Bewilligungsgesuchen, die gegen Ende der dreijährigen Übergangsfrist eingereicht worden sind, müssen sich die Institute bis zur ersten Rückantwort der FINMA jedoch gedulden. In der Zwischenzeit dürfen sie ihre Tätigkeit aber weiter ausüben.

 

Wie sind Ihre ersten Erfahrungen im Umgang mit Vermögensverwaltern in dieser entscheidenden Bewilligungsphase und Umsetzung der prudentiellen Aufsicht?

Die FINMA tauscht sich bereits seit mehreren Jahren regelmässig und proaktiv mit den betreffenden Marktteilnehmern aus, wozu natürlich auch die AO und die Branchenvertreter gehören. Bei unseren Kontakten mit Gesuchstellern im Rahmen der Bewilligungsverfahren hat sich bestätigt, dass es sich um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Wir haben Vermögensverwalter sowohl in der Form von Einzelfirmen als auch Aktiengesellschaften mit mehreren Dutzend Angestellten bewilligt. Zudem hat sich gezeigt, dass viele Vermögensverwalter und Trustees die FINMA-Bewilligung als Qualitätssiegel schätzen.

 

Welche drei wichtigsten Lehren ziehen Sie aus den ersten Bewilligungsverfahren?

Erstens war die Zusammenarbeit zwischen den Gesuchstellern, den AO und der FINMA ein Schlüssel zum Erfolg bei der Umsetzung des neuen Bewilligungs- und Aufsichtssystems. Nur dank dieser Zusammenarbeit konnten und können die rund 1’700 Bewilligungsgesuche von Vermögensverwaltern und Trustees effizient bearbeitet werden. Zweitens stellte sich die FINMA auf die neuen Herausforderungen ein, d.h. auf eine neue Population von Instituten in grosser Zahl, die Einführung neuer Prozesse und deren Digitalisierung. Insbesondere entwickelte die FINMA Bewilligungs- und Aufsichtsverfahren, die auf den Risiken der individuellen Vermögensverwaltung und der Trustee-Tätigkeit basieren. So sind die Hauptrisiken mit einer umfangreichen grenzüberschreitenden Tätigkeit oder dem Einsatz von ausländischen Depotbanken verbunden.  Schliesslich stellten wir fest, dass trotz dreijähriger Übergangsfrist und eines beträchtlichen Kommunikationsaufwands eine grosse Anzahl von Gesuchen erst wenige Monaten vor Ablauf der Übergangsfrist bei uns eingeging. Für viele Gesuchsteller wurde es daher kritisch, ob die Frist noch eingehalten werden konnte.

 

Am 30. Januar 2023 gab die FINMA die ersten Zahlen zum Bewilligungsprozess für Vermögensverwalter und Trustees bekannt. Welche Hauptpunkte sind hier beachtenswert?

Von den über 2’500 Vermögensverwaltern und Trustees, die 2020 ihre Absicht signalisiert hatten, sich bewilligen zu lassen, reichten bis Ende 2022 schliesslich 1’699 ein Bewilligungsgesuch bei der FINMA ein (davon 1’534 Vermögensverwalter und 165 Trustees). Unter diesen 1’699 Gesuchstellern finden sich 90 Institute, die die Tätigkeit als Vermögensverwalter oder Trustee neu aufnehmen wollten und somit nicht unter die Übergangsfrist fielen.

 

Was sind die hauptsächlichen Auswirkungen dieses neuen Aufsichtssystems auf die Positionierung der Vermögensverwaltung in der Schweiz und auf internationaler Ebene?

Die FINMA-Bewilligung stellt eine Chance dar. Sie zielt darauf ab, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter von Finanzdienstleistungen zu schaffen. Zudem sind die Bezeichnungen «Vermögensverwalter» und «Trustee» nun rechtlich geschützt. Die FINMA-Bewilligungspflicht hat positive Auswirkungen und führt zu einer Marktbereinigung. Angesichts ihres guten Rufs und ihrer Anerkennung auf dem Finanzplatz liegt es im Interesse der Branche, dass wenig gewissenhafte Institute keine Bewilligung erhalten und aus dem Markt ausscheiden. Somit ist die FINMA-Bewilligung ein Qualitätssiegel. Institute, welche die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllen, erhalten den Nachweis, dass sie ihre Tätigkeit gemäss den Qualitätsanforderungen des Gesetzgebers und der FINMA ausüben.

 

Und zum guten Schluss: Nachhaltigkeit im Finanzsektor gewinnt sowohl national als auch international an Bedeutung. Der Bundesrat hat dazu kürzlich einen Bericht verabschiedet und eine Arbeitsgruppe zum Thema «Greenwashing» und dessen Vermeidung beauftragt. Welche Rolle wird die FINMA dabei spielen?

Die Bekämpfung von Greenwashing und der Schutz von Kunden, Anlegern, Versicherten und Gläubigern sind für das reibungslose Funktionieren und die Glaubwürdigkeit des Finanzmarktes von entscheidender Bedeutung. Daher hat die FINMA bereits Massnahmen zur Bekämpfung von Greenwashing ergriffen, hauptsächlich im Bereich der kollektiven Kapitalanlagen und gestützt auf allgemeine Grundsätze, die in den aktuell geltenden Vorschriften festgelegt sind. Darüber hinaus begrüsst die FINMA die laufenden Arbeiten zur Verhinderung von Greenwashing. Die FINMA ist der Auffassung, dass zur wirksamen Bekämpfung von Greenwashing eine sektorübergreifende und durchsetzbare Regulierung erforderlich ist, vor allem mit Blick auf die Verhaltensregeln am Point of Sale und die Produkttransparenz. Das wird insbesondere dazu beitragen, ein Level Playing Field für alle Finanzmarktakteure zu gewährleisten. Als Mitglied der vom Bundesrat eingesetzten Arbeitsgruppe wird die FINMA mittels Vorschlägen zur aufsichtsrechtlichen Umsetzung und Beteiligung an Gesprächen ihren Beitrag leisten.

 

 

Biografie

Marianne Bourgoz Gorgé ist seit 1. September 2022 Leiterin des Geschäftsbereichs Asset Management und Mitglied der Geschäftsleitung der FINMA. Zuvor war die Mathematikerin Group Chief Risk Officer der Genfer Kantonalbank.