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Der Gesundheitssektor spielt bei Private-Equity-Investments eine Hauptrolle

Die durch Covid-19 in Gang gesetzte technologische Revolution im Gesundheitssektor könnte Investoren neue Möglichkeiten für Investments an privaten Märkten eröffnen.

 

Von Yann Mauron
Private-Equity-Investment-Manager, Pictet Asset Management

 

Schon bevor sich Covid-19 auf der ganzen Welt ausbreitete, stand die Menschheit vor einer Reihe schwerwiegender Gesundheitsbedrohungen. Über 10 Millionen Menschen sterben jedes Jahr durch Umweltverschmutzung[1] und Krebs ist ebenso tödlich.[2] Gleichzeitig wird 2025 jeder Fünfte der Weltbevölkerung fettleibig sein.[3] Auch die Zahl der gegen Antibiotika resistenten bakteriellen Infektionen nimmt mit alarmierender Geschwindigkeit zu.

Die Pandemie hat jedoch das Potenzial, grundlegend die Art und Weise zu verändern, wie wir Krankheiten diagnostizieren und behandeln. Die durch Covid-19 ausgelöste Disruption hat einen nachhaltigen Innovationsschub gebracht, der dazu beitragen könnte, viele unserer Gesundheitsthemen zu bewältigen. Das hat eindrucksvoll die rasante Entwicklung des Covid-Impfstoffs gezeigt.

Wofür Virologen normalerweise zehn Jahre gebraucht hätten, das schafften sie in weniger als einem Jahr. Es stehen uns noch viele andere Veränderungen bevor. Im Kampf gegen das Coronavirus hat die Gesundheitsbranche gelernt, sich wieder für Technologie zu begeistern. Das bringt Vorteile für die Investoren, da sich mit der Weiterentwicklung der Gesundheitsbranche neue Anlagemöglichkeiten ergeben.

Das Investmentpotenzial erscheint umso grösser, wenn man bedenkt, wie viel Geld Regierungen, Unternehmen und Bürger für die Verbesserung der Gesundheit ausgeben. In den USA z.B. sind die monatlichen Gesundheitsausgaben auf fast 20% des BIP gestiegen, im Jahr 1960 waren es gerade mal 5% (siehe Abb. 1). Das bedeutet mehr Investitionen, insbesondere in die Präventivmedizin.

Abb. 1 – Ausgaben für die Gesundheit

Öffentliche Gesundheitsausgaben USA, in % des BIP

 

 

Quelle: Centers for Medicare & Medicaid

Services. Daten beziehen sich auf den Zeitraum

01.01.1960–31.12.2020.

Gesundheitsinvestitionen haben eine starke soziale Komponente. Die globale Krankheitslast könnte bis 2040 um rund 50% reduziert werden, wenn bewährte Mechanismen (wie die Förderung gesunder Lebensweisen und der breitere Zugang zu Medikamenten) besser genutzt und Innovationen wie künstliche Intelligenz (KI) in grossem Stil genutzt werden, so die Consultingagentur McKinsey. Das würde bedeuten, dass der Mensch im Durchschnitt ein gesundes Lebensjahrzehnt mehr hätte.[4]

Investitionen in Gesundheitsunternehmen sind jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt oder einfach. Die durchschnittlichen Forschungs- und Entwicklungskosten, die beispielsweise mit der Markteinführung eines neuen Arzneimittels verbunden sind, liegen bei weit über 1 Milliarde US-Dollar, berücksichtigt man das hohe Risiko eines Scheiterns auf dem Weg dorthin.[5] Zudem kann der Spielraum für die Festsetzung der Preise für Arzneimittel und Gesundheitsdienstleistungen aufgrund gesellschaftlicher und regulatorischer Zwänge eingeschränkt sein. Hinzu kommt, dass sich viele der grösseren Unternehmen der Pharmaindustrie in den kommenden Jahren darauf einstellen müssen, dass Patente auslaufen und dadurch der Umsatz zurückgeht.

 

Mehr Auswahl, mehr Möglichkeiten

Wer im Gesundheitssektor investiert, muss mit diesen Unwägbarkeiten und Risiken zurechtkommen. Wie überall bieten einige Investmentansätze ein besseres Risiko- Rendite-Profil als andere.

Nach unserer Einschätzung können Investments am privaten Markt eine besonders effektive Möglichkeit für Investoren sein, von der Innovation in der Gesundheitsbranche zu profitieren. Private Märkte haben einige Vorteile.

Zunächst einmal das breite Spektrum der Anlageoptionen – es gibt viel mehr private Gesundheitsunternehmen als börsennotierte Unternehmen. Darüber hinaus finden hier weitaus mehr Transaktionen statt. Im Jahr 2020, selbst als die Covid-19- Pandemie den Enthusiasmus der Investoren dämpfte, nahm die Zahl der privaten Transaktionen im Gesundheitssektor um ein Fünftel zu. Dieser Schub ist umso bemerkenswerter als die Private-Equity (PE)-Aktivität insgesamt um 14% zurückgegangen ist.[6]

Auch die Anlagerenditen privater Gesundheitsunternehmen sind attraktiv. Der Gesundheitssektor hat in der Vergangenheit höhere PE-Renditen erzielt als andere Bereiche des Marktes. Das liegt zum Teil daran, dass Innovationen im Gesundheitswesen – augenscheinlich mehr als in anderen Branchen – häufig von kleinen, noch jungen Unternehmen ausgehen. Der Übergang vom wissenschaftlichen Labor zum Unternehmen vollzieht sich in schnellem Tempo, was denjenigen Investmentteams und Unternehmen im Gesundheitssektor einen Vorteil verschafft, die enge Verbindungen zur Wissenschaft haben.

Oftmals erfolgt die Wertschöpfung grösstenteils vor Börsengängen oder Übernahmen. IPOs bieten eine valide Exit-Strategie für PE-Investoren – in den letzten Jahren fand eine Fülle von Transaktionen statt. In Zeiten geringerer Liquidität ist es jedoch wichtiger denn je, sich auf Unternehmen mit starken Technologien und Produkten zu konzentrieren.

Eine weitere attraktive Exit-Möglichkeit bietet sich in Form einer Übernahme durch grosse Pharmaunternehmen, die stets nach vielversprechenden Investitionsmöglichkeiten bei jüngeren Unternehmen Ausschau halten, um ihre Pipeline auszubauen. Von den neuen Arzneimitteln, die zwischen 2014 und 2018 grünes Licht von der US-Arzneimittelaufsicht bekamen, wechselten 54% vor der Zulassung den Besitzer.[7] Die meisten wurden von kleineren Biopharmaunternehmen entwickelt und dann von grösseren, etablierten Mitbewerbern vermarktet.

 

Aussichtsreiche Subsektore

Neue Medikamente erregen zwar schnell die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Investoren, aber sie sind nur ein Teil des Gesundheitsuniversums. Das Spektrum der Anlagemöglichkeiten an privaten Märkten ist viel breiter. Weitere Bereiche mit starkem Potenzial für überdurchschnittliche Anlagerenditen sind unter anderem Therapeutik, Diagnostik, digitale Gesundheit, Medizintechnik und Pflegedienstleister. Zusammen ermöglichen sie eine Diversifizierung über (Teil-) Branchen, Regionen, Arten von Unternehmen und Reifestufen.

 

  • Therapeutik - Das Innovationstempo in der Therapeutik ist hoch und das regulatorische Umfeld wird immer freundlicher. Bei der Wirkstoffentdeckung und Arzneimittelentwicklung kommen zunehmend KI und maschinelles Lernen zum Einsatz. Dadurch erhöht sich die Effizienz und der Weg für die Präzisionsmedizin wird geebnet. Die Biotechnologie lockt viele Venture- Kapitalgeber und Buyout-Unternehmen an, was der Forschung und Entwicklung zugute kommt.
     
  • Diagnostik — Die Alterung der Bevölkerungen und sich verändernde Lebensweisen führen dazu, dass chronische Erkrankungen wie Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten immer häufiger auftreten. Das wiederum befeuert die Nachfrage nach Diagnostik. Die öffentliche Hand investiert zunehmend in umfangreiche öffentliche Vorsorge-Initiativen. Der Markt für Selbstdiagnostik und Präzisionsmedizin wächst. Eine frühzeitige Diagnose kann die Chancen auf einen positiven Ausgang erhöhen und dazu beitragen, das Leben der Patienten zu verbessern und Kosten für Folgebehandlungen einzusparen. Zudem sind neue diagnostische Ansätze in der Regel weniger invasiv (z.B. Flüssigbiopsie). Langfristig besteht das Potenzial, dass sich quantifizieren lässt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand eine bestimmte Krankheit entwickelt. Anhand dieser Erkenntnisse können entsprechende Massnahmen ergriffen werden, um einen Ausbruch zu verhindern.
     
  • Digitale Gesundheit— Die digitale Gesundheit erlebte während der Covid-19-Pandemie und der daraus resultierenden Lockdowns einen enormen Schub. Obwohl die Patienten zur Sprechstunde jetzt wieder in die Praxis kommen, haben sowohl sie als auch die Ärzte das Potenzial erkannt, das die digitale Welt bietet. In den USA finden inzwischen 43,5% der allgemeinärztlichen Konsultationen digital statt.[8]
     
  • Digitale Gesundheit ist auch der Schlüssel zur Versorgung von ärmeren und abgelegenen Gebieten – ein wichtiger Teil der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Auf nationaler Ebene können digitale Plattformen Daten analysieren, um Risiken wie Lücken in der Gesundheitsvorsorge zu identifizieren. Neben dem Wachstumspotenzial sehen wir hier auch Raum für Konsolidierung.
     
  • Medizintechnik— Die Medizintechnikbranche kombiniert Technologie mit der medizinischen Expertise von Ärzten, um Instrumente, Reagenzien, intelligente Implantate und vieles mehr herzustellen. Die Bewertungen werden durch die Knappheit hochwertiger Investitionsziele gestützt. Der Sektor ist zudem durch eine starke Fragmentierung gekennzeichnet, sodass mit einer Konsolidierung zu rechnen ist.
     
  • Pflegedienstleister— Die Alterung der Bevölkerung ist ein Haupttreiber sowohl für private als auch für öffentliche Pflegedienstleister. Der Sektor verzeichnete den zweithöchsten Transaktionswert weltweit (nach Biopharma). Es werden neue Vergütungs- und Pflegemodelle entwickelt, und die wertorientierte Gesundheitsversorgung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Fokus liegt auf der Verbesserung von Sicherheit und Effizienz – zwei Bereiche, in denen Technologie und KI enorme Fortschritte bewirken können. Der Förderung der Mitarbeit des Patienten kommt eine vorrangige Rolle zu. Je häufiger die Patienten mit medizinischen Fachkräften interagieren, desto grösser ist die Bereitschaft, sich an die ärztlichen Anweisungen zu halten, und desto besser ist das Behandlungsergebnis.

 

Abb. 2 – Zuflüsse in Gesundheit

Finanzierung der digitalen Gesundheit in den USA: Anzahl der Transaktionen, aufgenommenes Kapital, Mrd. USD


Quelle: Rock Health Digital Health Venture Funding Database. Daten beziehen sich auf den Zeitraum 01.01.2011-31.12.2021. Schliesst US-Transaktionen > 2 Mio. US-Dollar ein
 

Aus Private-Equity-Perspektive bieten die fünf Subsektoren Chancen im gesamten Unternehmensreife-Spektrum. Therapeutik, digitale Gesundheit und Diagnostik sind in der Anfangs- und Wachstumsphase besonders stark. Medtech-Anbieter und Pflegedienstleister sind dagegen eher in der Buyout-Phase angesiedelt.

Geografisch sind sowohl die USA als auch Europa weiterhin führend in der Forschung, während die USA bei Vermarktung und IPOs einen Vorsprung haben. Asien holt schnell auf. Insbesondere von China sind therapeutische Innovationen zu erwarten. Durch Investitionen in die gesamte Wertschöpfungskette des Gesundheitssektors kann daher eine gute geografische Streuung erreicht werden. Eine Mischung aus direkten und indirekten Anlagen kann die Diversifizierung weiter verbessern und die risikobereinigten Renditen steigern.

Gesundheit hat für alle eine hohe Priorität, von den Regierungen bis hin zu den Bürgern, vor allem nach der Covid-19-Pandemie. Das Investitionsgeschehen nimmt Fahrt auf, das regulatorische Umfeld wird freundlicher und Technologie bietet immer mehr potenzielle Lösungen. Private-Equity ist eine attraktive Möglichkeit, Chancen im gesamten Gesundheitsuniversum zu nutzen und gleichzeitig Risiken durch starke Diversifizierung und Risikomanagement zu begrenzen.

 

Biografie

Yann Mauron ist seit 2016 bei Pictet beschäftigt, zunächst im Bereich Strategy und später als Private Equity Investment Manager. Zu seinen Aufgaben gehören die Auswahl und Überwachung von Private-Equity-Fonds, Sekundärtransaktionen und Co-Investment-Möglichkeiten im Technologie- und Biotech-Sektor. Er ist auch für die Group Corporate Venture Capital Initiative verantwortlich.

Vor Pictet war Yann Mauron mehr als fünf Jahre als Business Strategy Consultant bei McKinsey & Co. und KPMG tätig. Er ist diplomierter Biologe und begann seine berufliche Laufbahn bei mehreren Blue-Chip-Pharmaunternehmen. Sein Doktortitel in Bioinformatik bot ihm die Möglichkeit einer Tätigkeit in der Entwicklung von Biopharmazeutika und der Notfallmedizin.

 

[1] Geschätzte Zahl der Todesfälle durch Feinstaubbelastung. ‚Global mortality from outdoor fine particle pollution generated by fossil fuel combustion: Results from GEOS-Chem‘, K. Vohra et al., April 2021

[2] Globocan, Februar 2021

[3] World Obesity, März 2020

[4] McKinsey, ‚Prioritizing health: A prescription for prosperity‘, Juli 2020

[5] ‚Estimated research and development investment needed to bring a new medicine to market, 2009–2018‘, O.J. Wouters et al., März 2020

[6] Bain & Company, Global Healthcare Private Equity and M&A Report 2021‘, März 2021

[7] FDA, HBM New Drug Approval Report, Januar 2019

[8] U.S. Department of Health and Human Services, April 2020

 

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