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Berne Financial Services Agreement zwischen dem Vereinigten Königreich und der Schweiz – Neue Chancen für Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen und Vermögensverwalter

Das Berne Financial Services Agreement zwischen dem Vereinigten Königreich und der Schweiz, unterzeichnet im Dezember 2023, verschafft Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen und Vermögensverwaltern durch die gegenseitige Anerkennung der regulatorischen Rahmenbedingungen Zugang zum Markt des Vereinigten Königreichs. Nach Abschluss der parlamentarischen Verfahren im Vereinigten Königreich und der Schweiz werden Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen und Vermögensverwalter Anlageberatung- und Vermögensverwaltungsdienstleistungen an vermögende Kunden im Vereinigten Königreich mit einem Vermögen von mehr als GBP 2'000'000 erbringen können. Dies unter der Voraussetzung, dass sich die Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen oder Vermögensverwalter in ein von der Financial Conduct Authority (FCA) geführtes Register eintragen lassen.

 

Juerg Bloch
Partner, Niederer Kraft Frey                                                    
Simon Bühler
Partner, Niederer Kraft Frey                                                    

 

A. Überblick & Grundsätzliche Fragen

1. Um was geht es beim Berne Financial Services Agreement?

Das Berne Financial Services Agreement (link), welches die Schweiz und das Vereinigte Königreich im Dezember 2023 unterzeichneten, sieht eine gegenseitige Anerkennung der regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen vor. Es zielt darauf ab, Hindernisse in der grenzüberschreitenden Erbringung von Finanzdienstleistungen zu beseitigen.
 


Um von den vorgesehenen neuen Regelungen zu profitieren, muss ein erfasster Finanzdienstleister einem erfassten Kunden eine erfasste Sektortätigkeit erbringen. Die jeweiligen Begriffe werden in fünf sogenannten sektoralen Anhängen des Berne Financial Services Agreements definiert.
 

# des sektoralen Anhangs

Gegenstand des sektoralen Anhangs

1

Asset Management

2

Banking

3

Finanzmarktinfrastrukturen

4

Versicherungen

5

Investment Services

 

 

2. Lassen sich Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen und Finanzdienstleister als erfasste Finanzdienstleister qualifizieren?

Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen und Vermögensverwalter, welche nach Finanzinstitutsgesetz (FINIG) bewilligt und beaufsichtigt werden, lassen sich wie folgt als erfasste Finanzdienstleister qualifizieren:
 

#

Sektoraler Anhang

Lassen sich Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen und Vermögensverwalter als erfasste Finanzdienstleister qualifizieren?

1

Asset Management

Siehe 1.1 und 1.2

1.1

Marketing erfasster Finanzinstrumente
(Anhang 1, Teil 1, Kapitel IV.A.)

Ja: sofern (i) nach dem FINIG bewilligt und beaufsichtigt (inter alia), (ii) bewilligt, die erfassten Dienstleistungen in der Schweiz zu erbringen, (iii) der FCA seine Absicht gemeldet hat, die entsprechenden erfassten Finanzinstrumente im Einklang mit britischem Recht anzubieten, und (iv) berechtigt, die Finanzinstrumente im Einklang mit britischem Recht über Privatplatzierungen anzubieten

1.2

Übertragung der Portfolioverwaltung
(Anhang 1, Teil 2, Kapitel IV.A.)

Ja: sofern (i) in der Schweiz nach Schweizer Recht gegründet, (ii) nach dem FINIG bewilligt und beaufsichtigt (inter alia), und (iii) nach dem FINIG zur Erbringung der entsprechenden erfassten Dienstleistung in oder aus der Schweiz bewilligt (inter alia)

2

Banking

Siehe 2.1 und 2.2

2.1

Entgegennahme von Einlagen
(Anhang 1, Kapitel IV.A.a.)

Nein

2.2

Gewährung von Krediten
(Anhang 1, Kapitel IV.A.b.)

Ja: sofern in der Schweiz nach Schweizer Recht gegründet (bspw. als Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung)

3

Finanzmarktinfrastrukturen, Zentrale Gegenparteien

Siehe 3.1-3.3

3.1

Zentrale Gegenparteien
(Anhang 3A, Kapitel IV.)

Nein

3.2

Over-the-Counter Derivate
(Anhang 3B, Kapitel IV.)

Ja: sofern eine in der Schweiz ansässige Gegenpartei eines Derivatgeschäfts (siehe Art. 2 lit. c FinfraG), (i) das nicht über einen Handelsplatz getätigt wurde, und (ii) das nicht über eine von der FINMA bewilligte oder anerkannte zentrale Gegenpartei nach Art. 93 FinfraG abgerechnet werden muss

3.3

Handelsplätze
(Anhang 3C, Kapitel IV.)

Nein

4

Versicherungen

Nein

5

Investment Services
(Anhang 5, Kapitel IV.)

Ja: sofern (i) als Verwalter von Kollektivvermögen oder als Vermögensverwalter nach FINIG bewilligt und beaufsichtigt (inter alia), (ii) in der Schweiz nach Schweizer Recht gegründet, (iii) von der FINMA zur Erbringung der erfassten Dienstleistungen in der Schweiz bewilligt, (iv) die erfassten Dienstleistungen in der Schweiz erbringt, (v) der FCA, in einer zwischen der FINMA und der FCA näher festgelegten Form, eine Meldung hat zukommen lassen, (vi) im Vereinigten Königreich nicht gemäss Teil 4A FSMA über eine Bewilligung zur Erbringung der erfassten Dienstleistung verfügt, (vii) in das von der FCA geführte Register (im Hinblick auf die Erbringung der gemeldeten erfassten Dienstleistungen in das Vereinigte Königreich) eingetragen, und (viii) der FCA jede für ihren Registereintrag relevante Änderung meldet und der FINMA eine Kopie dieser Meldung zur Verfügung stellt.

 

 

3. Wann wird das Berne Financial Services Agreement in Kraft treten?

Nachdem das Berne Financial Services Agreement im Dezember 2023 unterzeichnet wurde, muss es sowohl in der Schweiz als auch im Vereinigten Königreich noch das parlamentarische Verfahren durchlaufen. In der Schweiz wird erwartet, dass der Bundesrat dem Parlament noch in der ersten Hälfte des Jahres 2024 eine entsprechende Botschaft vorlegen wird. Das Datum des Inkrafttretens ist somit noch ungewiss.

Es ist zu beachten, dass die Regelungen des Berne Financial Services Agreement in die nationale Gesetzgebung überführt werden müssen. Art. 4 des Berne Financial Services Agreement hält in diesem Zusammenhang fest: "[k]eine Bestimmung des vorliegenden Abkommens ist so auszulegen, dass natürlichen oder juristischen Personen Rechte gewährt oder Pflichten auferlegt werden, oder dass das vorliegende Abkommen in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Parteien unmittelbar geltend gemacht werden kann, auch nicht mit der Begründung, dass die andere Partei gegen das Abkommen verstossen habe."

 

B. Insbesondere: Erbringung von Investment Services unter Anhang 5

1. Überblick

Wie oben in Abschnitt A.2. gezeigt, können sich Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen oder Vermögensverwalter als erfasste Finanzdienstleister qualifizieren in den sektoralen Anhängen (i) Asset Management (Anhang 1), (ii) Banking (bezüglich der Gewährung von Krediten, Anhang 2), (iii) Finanzmarktinfrastrukturen (bezüglich Over-the-Counter Derivate; Anhang 3B), und (iv) Investment Services (Anhang 5).

Es ist zu erwarten, dass die Erbringung grenzüberschreitender Vermögensverwaltungs- und Anlageberatungsdienstleistungen unter Anhang 5 (Investment Services) von besonderer Relevanz sein wird. Die Voraussetzungen, um solche Dienstleistungen aus der Schweiz heraus im Vereinigten Königreich zu erbringen, werden im Nachfolgenden skizziert.

 

2. Erfasste Finanzdienstleister (Anhang 5)

Siehe dazu Abschnitt A.2. Wir weisen darauf hin, dass Schweizer Verwalter von Kollektivvermögen oder Vermögensverwalter (i) die entsprechenden Dienstleistungen für britische Kunden bereits in der Schweiz anbieten, und (ii) sich bei der FCA registrieren lassen müssen.

 

3. Erfasste Dienstleistungen (Anhang 5)

Die erfassten Dienstleistungen werden im Anhang 5, Kapitel III des Berne Financial Services Agreements umschrieben:

  1. Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten, namentlich
    • die Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die erfasste Finanzinstrumente zum Gegenstand haben;
    • die Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden;
    • der Handel auf eigene Rechnung;
    • die Portfolioverwaltung; und
    • die Anlageberatung.
  2. Nebendienstleistungen zur Hauptgeschäftstätigkeit des Dienstleisters mit Wertpapierdienstleistungen, die auch auf eigenständiger Basis erbracht werden können, namentlich
    • die Verwahrung und Verwaltung von erfassten Finanzinstrumenten auf Rechnung von Kunden;
    • die Gewährung von Krediten oder Darlehen an Anleger für die Durchführung von Geschäften mit einem oder mehreren Finanzinstrumenten, sofern das kredit- oder darlehensgewährende Unternehmen an diesen Geschäften beteiligt ist; und
    • die Wertpapier- und Finanzanalyse oder sonstige Formen allgemeiner Empfehlungen, die Geschäfte mit erfassten Finanzinstrumenten betreffen.

 

4. Erfasste Kunden (Anhang 5)

Die erfassten Kunden hinsichtlich Investment Services werden im Anhang 5, Kapitel V des Berne Financial Services Agreements definiert und lassen sich wie folgt umschreiben:

  1. Erfasste vermögende Kunden
    1. Vermögende Kunden (high net worth clients), d.h. (i) eine natürliche Person (die über ein Nettovermögen von mehr als GBP 2'000'000 verfügt (spezifiziert im Anhang 5, Kapitel VII.), (ii) in der Lage ist, ihre eigenen Anlageentscheidungen zu treffen und das damit verbundene Risiko zu verstehen, und (iii) welche eine schriftliche Erklärung (opting-out) abgegeben hat;
    2. Private Anlagestrukturen mit professioneller Tresorerie, welche bestimmte Voraussetzungen erfüllen; und
    3. Private Anlagestrukturen ohne qualifizierten Experten mit angemessenen Fachkenntnissen in Finanzangelegenheiten, welche bestimmte Voraussetzungen erfüllen (in diesen Fällen muss die natürliche Person ähnliche Voraussetzungen erfüllen wie der vermögende Kunde unter 1.a.).
  2. Per se professionelle Kunden nach Definition gemäss britischem Recht
    1. Rechtssubjekte, die zugelassen sein oder unter Aufsicht stehen müssen, um an den Finanzmärkten tätig werden zu können;
    2. Grosse Unternehmen;
    3. Nationale und regionale Regierungen, internationale und supranationale Einrichtungen; und
    4. andere institutionelle Anleger, deren Haupttätigkeit in der Anlage in Finanzinstrumenten besteht.
  3. Geeignete Gegenparteien (eligible counterparties) gemäss britischem Recht (bspw. Wertpapierfirmen, Kreditinstitute oder Versicherungsgesellschaften).

 

 

Biografien

Juerg Bloch ist Partner bei Niederer Kraft Frey. In seiner Tätigkeit fokussiert er sich auf die Beratung von Unternehmen in den Bereichen interne und regulatorische Untersuchungen, Wirt-schaftskriminalität, Krisenmanagement, Corporate Governance, Compliance sowie Amts- und Rechtshilfeverfahren.

Simon Bühler ist Partner bei Niederer Kraft Frey. Er berät schweizerische und internationale Klienten im gesamten Spektrum nationaler und grenzüberschreitender regulatorischer Fragen und Transaktionen im Finanzsektor. Zudem unterstützt Simon Bühler Klienten in internen Unter-suchungen und vertritt diese in streitigen regulatorischen Angelegenheiten.